Freitag, 31. Oktober 2014

Rückblick - von Wolfgang




Der Jakobsweg von meiner Haustür in Nürnberg bis nach Konstanz ist geschafft. Rund 450 Kilometer Fußmarsch liegen hinter mir. Die vielen Eindrücke, die ich auf diesem Weg aufgenommen habe - nicht zu beschreiben. Jedes Jakobsweg-Symbol auf dieser Strecke, jede Ortschaft, durch die er hindurchführt, jede Kirche und noch so kleine Kapelle, jede Brücke, jede Begegnung - alles hat seine Spuren hinterlassen. Das erste große Etappenziel ist erreicht, der Jakobsweg in Deutschland ist bewältigt. Nun wartet mit der Schweiz die nächste Herausforderung. Auf dieses Abenteuer werden wir uns voraussichtlich im Mai 2015 einlassen.

Doch zuvor möchte ich gern noch einmal einen Blick zurück werfen.

Als ich mich am 22. März diesen Jahres von Zuhause aufmachte,  ahnte ich nicht, was mich auf diesem Weg als Pilger erwartet und vor allem: ich hätte nie für möglich gehalten, dass ich vom Pilgern so infiziert werde. Eigentlich wollten Roland und ich den mittelfränkischen Jakobsweg Richtung Rothenburg nur als "Übung" wandern. Es war auch nicht geplant, überhaupt bis Rothenburg zu pilgern. Ursprünglich wollten wir ja den Weg über Abenberg, Gunzenhausen und Nördlingen nehmen.

Doch der erste Tag machte uns - trotz des Regenwetters - so viel Spaß, dass wir uns gleich für den darauffolgenden Samstag die nächste Etappe vornahmen und dann, am dritten Samstag in Folge noch den Rest bis Rothenburg draufsetzten. Nun konnten wir den 17. Mai, an dem es offiziell losging, kaum erwarten.

Nachdem wir uns nun schon 96 Kilometer von Nürnberg entfernt hatten, änderten wir unseren Plan und setzten den Pilgerweg von Rothenburg bis Ulm fort. Ursprünglich wollten wir dann erst 2015 das Teilstück bis Konstanz absolvieren, aber wir waren so fasziniert, dass wir diese Etappe unbedingt noch in diesem Jahr durchziehen wollten. Und  so ist es auch geschehen.

Allen, denen wir begegnet sind, die uns auf  einem Teil des Weges begleitet haben, mit uns gesprochen haben, uns gegrüßt haben, uns "Buon Camino" zugerufen haben, uns beherbergt haben, uns auf dem Weg einfach nur ein Lächeln geschenkt haben,  ihnen sei allen an dieser Stelle gedankt.

Ganz besonders denken und danken möchte ich den Menschen, deren Begegnung für mich wertvoll war und die wohl für immer einen Platz in meiner Erinnerung einnehmen:

Detlev, 70 Jahre, unterwegs zu Fuß von Aschaffenburg nach Rom. Auf unserer allerersten Etappe von Rothenburg bis Wallhausen kreuzten sich immer wieder unsere Wege. In Wallhausen übernachten wir im selben Gasthaus

Erich aus Eslarn, allein unterwegs auf dem Jakobsweg. Immer wieder treffen wir an unterschiedlichen Tagen aufeinander.

Heiner aus dem Spessart, auch auf dem Jakobsweg unterwegs. Mit ihm durchwandern wir das Jagsttal. Aus privaten Gründen muss er in Crailsheim abbrechen.

zwei Mädels auf Ihren Pferden auf dem Weg zum Burgberg bei Crailsheim: "'Ihr macht den Jakobsweg? Cool!"

Jörg, der Heinrich den Töpfer kennt und uns dessen Rufnummer gibt. Ein Glück, wie sich später herausstellt, denn er ist unsere einzige Übernachtungsmöglichkeit auf dieser Etappe.

Heinrich der Töpfer aus Gründelhardt, ein Lebenskünstler mit einem wunderschönen Keramikladen in einer ehemaligen Sparkassenfiliale, der schon mit dem Fahrrad in der Ukraine war. Mit ihm verbringen wir einen sehr unterhaltsamen Abend.

Frau Oker aus Pommertsweiler, die uns aufgenommen und bewirtet hat obwohl sie in die Geburtstagsfeierlichkeiten der Tochter eingebunden war und eigentlich gar keine Zeit hatte.

Der Metzger in Pommertsweiler, der uns als  Wegzehrung jedem eine Hartwurst geschenkt hat.

Corinna von den Klotzhöfen, die eine wunderschöne Pilgerherberge betreibt und uns mit ihrem Radler wieder aufgepäppelt hat. Von ihr bekamen wir den Tipp mit dem Pilgerwohnwagen von Anna Barthle. Wie auch mit Jörg in Crailsheim ein Glück, denn auch das wir auf dieser Etappe die einzige Unterkunft sein.

Anna Barthle und ihr Sohn, die in Bargau mit ihrem Pilgerwohnwagen unsere letzte Rettung waren und unsere Lebensgeister nach über 30 Kilometern bei Hitze und Asphalt mit einem kühlen Schluck Bier wieder erweckt haben. Mit einem sensationellen Frühstück hat Anna für einen perfekten Start in unseren neuen Pilgertag gesorgt.

Der "Wander-Schlumpf", ein über 70 Jähriger Wanderer, der mit uns im Wohnwagen pernoctuiert hat (dieses Wort hat er für "Übernachten" gebraucht) und dessen Namen wir nicht kennen.

Martina aus Grimmelfingen, die uns vom Bus aus in Ulm schon hat stapfen sehen und uns angesprochen hat.

Hans Dieter Ungerer, Hospitalero im Cursillo-Haus in Oberdischingen, der Pilger auch auf längeren Touren durch Frankreich und Spanien begleitet und uns bestens umsorgt hat.

5 Damen aus Göppingen, die mit uns das Pilgerhospiz in Oberdischingen teilten und auf einer 2-Tages-Pilgertour waren.

Angela mit ihren Töchtern, aus Mettenberg, die uns, zwei wildfremde Jungs, bei sich aufgenommen hat, da wir keine andere Unterkunft gefunden haben. Sie war zur richtigen Zeit am richtigen Ort. Sie war wohl auf dem ganzen Weg meine beeindruckenste Begegnung.

Toni aus Biberach, der in einem Holzhaus am Stadtrand wohnt und sich mit dem Ausräumen von Dachböden und Streichen von Zimmern über Wasser hält. Sein Statment zu Jakobsweg: "Die Schweiz ist Scheisse"

Herr und Frau Traub aus Winterstettenstadt, die uns wie in einer Familie aufgenommen und bewirtet haben. Hier haben wir uns sehr wohl gefühlt

Elisabeth, die in Weingarten das Pilgerdenkmal mit initiiert hat.

Die beiden Schwestern aus dem Westerwald, die mit uns die Pilgerherberge in Brochenzell bei Fam. Schiele geteilt haben.

Angela, die in Unterteuringen extra mit dem Auto angehalten hat, um uns  auf den verborgenen Stempel im Jakobsdenkmal aufmerksam zu machen (den hätten wir sonst glatt übersehen)

Kristin und ihr Mann Wolfgang aus Meersburg, die uns in ihrer Pension so herzlich aufgenommen haben und uns  ihr wunderschönes  Zimmer zu einem supernetten Pilgertarif zur Verfügung gestellt haben

Heike, die den Jakobsweg auch gerne mal, zumindest ein Stück, machen möchte. Ihr eifersüchtiger Hund "Mira" beendete mit lautem Gebell leider vorzeitig das Gespräch.


Nicht unerwähnt lassen möchte ich an dieser Stelle jedoch, dass unsere teuerste Unterkunft ausgerechnet bei einem kirchlichen Träger war: Das katholische Tagungszentrum in Weingarten wollte uns 102 Euro (!!!) für die Nacht abknöpfen! Wir konnten uns letztendlich auf 80 Euro verständigen. Leider hatten wir keine andere Wahl, denn sämtliche Alternativen waren belegt.
In den 7 Werken der Barmherzigkeit heiß es unter anderem "Fremde beherbergen". Von Abzocken ist nicht die Rede.
Da haben wir auf unserem Weg von Menschen ganz anderes christliches Selbstverständnis erfahren wenn es darum ging, uns zu  beherbergen.

Jetzt sind es nur noch knapp 2.000 Kilometer bis nach Santiago. Ich freue mich auf die nächste
Etappe durch die Schweiz und auf alle vor uns liegenden Erlebnisse.

E Ultreia! E sus eia! Deus adjuva nos

Wolfgang, am 31. Oktober 2014

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