Nach genau 15 Tagen ist heute mein Taschenmesser angekommen, das ich am Flughafen in Genf mit der Post nach Hause geschickt habe. Im Handgepäck durfte ich es nicht an Bord des Flugzeugs mitnehmen.
Wir pilgern in Etappen nach Santiago de Compostela und starteten 2014 zuhause in Nürnberg. Von dort aus ging über Ulm nach Konstanz, 2015 von dort bis Genf. 2016 ging es nach Le Puy und 2017 bis nach Moissac. 2018 nach Pamplona, 2019 setzten wir unseren Weg bis Leon fort und wollten 2020 in Santiago ankommen, doch Corona machte uns einen Strich durch die Rechnung. Nach zwei Jahren Verzögerung brechen wir im Mai 2022 zur letzten Etappe auf. In diesem Blog sind alle unsere Erlebnisse nachzulesen.
Samstag, 13. Juni 2015
Montag, 8. Juni 2015
Wieder Zuhause
Ich bin angekommen. Wieder in der Zivilisation. Ich tausche
Rucksack, Wanderstecken und Jakobsmuschel gegen Aktentasche, Computer und
Smartphone. War ich wirklich weg? Es
kommt mir seltsamerweise wie gestern vor, als ich vor knapp 3 Wochen meinen
Rechner heruntergefahren und proklamiert
habe "Ich bin dann mal weg..." Aber es kommt mir vor wie ein lange
entferntes Erlebnis, dass ich mich durch Regen, Wind und Sonne fast 400
Kilometer zu Fuß durch die Schweiz bewegt habe. Es kommt mir manchmal auch so vor, als wäre nicht
ich von Konstanz nach Genf gepilgert sondern jemand, den ich gut kenne und
dessen Weg ich 16 Tage lang mit verfolgt habe.
Es verhält sich wie so häufig auf Reisen: Man plant lange,
man spielt verschiedene Szenarien im Geiste durch, man ist in Vorfreude und
zählt Wochen und Tage und plötzlich ist der Tag da, an dem die Reise beginnt.
Und plötzlich ist man mittendrin. Und
auf einmal ist alles vorbei.
Das Schöne an dem Ausbruch aus dem Alltag ist aber, dass ich
mir sämtliche Erinnerungen aufbewahre. Nicht unbedingt in nur Form von Digitalfotos, sondern im
Geiste, unterstützt durch meine Aufzeichnungen in meinem kleinen, in Leder
gebundenen Tagebuch und im Herzen.
Man mag es kaum glauben, aber ich hatte in 16 Tagen kein
Erlebnis, keine Begegnung, auf die man in irgend einer Weise hätte verzichten
mögen. Egal wohin wir kamen, egal mit wem wir gesprochen haben, überall kam uns
nur Wohlwollen und Freundlichkeit entgegen. Viele nette Begegnungen, viele
liebe Menschen, denen wir begegnet sind, die mit uns ein Stück des Weges
gegangen sind, die uns Mut zugesprochen haben, die manchmal auch Bewunderung
hegten, viele Erlebnisse, schöne Augenblicke, nachdenkliche Momente.
Meine Hochachtung für die Menschen, die durch kleine Gesten wahre
Nächstenliebe leben. Sei es durch einen handgeschriebenen Segenswunsch neben
dem Frühstücksteller oder das Körbchen in der Kapelle, in dem ein Apfel und ein
Müsliriegel als "Stärkung für Pilger" liegen. Ein kleines Kästchen
vor einem Haus mit der Aufschrift "kostenlose Erfrischung für Pilger"
- darin Eistee und Limonade, an jeder Flasche ein kleiner Flyer mit einer
biblischen Geschichte hingeklebt. Oder einfach nur ein freundlicher Gruß von
vorbeigehenden Leuten, ein "Buon Camino", ein aufmunterndes Lächeln.
All diese Menschen, diese Gesten sind jeden Schritt wert, den ich getan habe.
Ich bin in den 16 Tagen kein ein anderer Mensch geworden -
aber doch irgendwie ein Neuer. Ich habe, wie auch nach unseren anderen
Pilgertouren, mich wieder darauf besonnen, für die kleinen Dinge des Lebens
dankbar zu sein.
Vor allem bin ich meinem Pilgerkollegen Roland dankbar, der
die ganze Zeit über ein über alle Maßen treuer, geduldiger und zuverlässiger Weggefährte war und ist, der auch unter
widrigsten Umständen nie seinen Humor verliert.
Die Erinnerungen an
die Erlebnisse dieser Pilgerreise werden für immer bleiben. Mögen Sie mir im
Alltag immer wieder Kraft geben und mir helfen, die erworbene Gelassenheit zu
bewahren.
Und nächstes Jahr geht es weiter...
Mittwoch, 3. Juni 2015
Vorher - Nachher (oder vom unrasierten Pilger zurück zum rasierten Menschen)
Siebzehn Tage ohne Rasur, da kommt schon was zusammen. Auf ausdrücklichen Wunsch meiner Tochter Janina ist der Wildwuchs am 30.05.2015 einer Nassrasur zum Opfer gefallen. Es war übrigens die erste Nassrasur meines Lebens. Weitgehend unverletzt, nur zwei kleine Kratzer, habe ich die Prozedur überlebt. Mein Trockenrasierer hätte diese Arbeit wahrscheinlich gar nicht geschafft.
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